Das Selbstverständnis des BVB
Der Berliner Vollzugsbeirat (BVB)
– ein Gremium für die Verbesserung des Strafvollzugs
Bis Ende 1976 wurden die Dinge im Strafvollzug in Deutschland im Rahmen der Rechtskonstruktion des „Besonderen Gewaltverhältnisses“ geregelt. Hierzu gab es eine größere Anzahl von Verwaltungsvorschriften. Am 01.01.1977 trat das Strafvollzugsgesetz (StVollzG) in Kraft, nachdem das Bundesverfassungsgericht 1972 entschieden hatte, dass zur Regelung der Verhältnisse im Strafvollzug ein ordentliches Gesetz notwendig sei, denn der Freiheitsentzug und seine Folgewirkungen stellten erhebliche Eingriffe in das Leben der Betroffenen dar.
Aus jener Zeit sind drei Kernsätze aus Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen nach wie vor für die Betrachtung der Verhältnisse im Strafvollzug in hohem Maße zutreffend:
„… [sinngemäß: Die bisherige Auffassung vom Strafvollzug] ist rückblickend nur damit zu erklären, dass die traditionelle Ausgestaltung des Strafvollzugs als eines „besonderen Gewaltverhältnisses“ es zuließ, die Grundrechte des Strafgefangenen in einer unerträglichen Unbestimmtheit zu relativieren“ (BVerfGE 33, 1, 10 – Entscheidung vom 14.03.1972).
„… [Es] muss der Staat den Strafvollzug so ausstatten, wie es zur Realisierung des Vollzugszieles (…) erforderlich ist. … Er hat auch die Aufgabe, die erforderlichen Mittel für den Personal- und Sachbedarf bereitzustellen.“ (BVerfGE 40, 276, 284 – Entscheidung vom 29.10.1975).
„Der Fortschritt in der Richtung von roheren zu humaneren, von einfacheren zu differenzierten Formen des Strafens ist weitergegangen, wobei der Weg erkennbar wird, der noch zurückzulegen ist. Das Urteil darüber, was der Würde des Menschen entspricht, kann daher nur auf dem jetzigen Stande der Erkenntnis beruhen und keinen Anspruch auf zeitlose Gültigkeit haben.“ (BVerfGE 45, 187,228,229 – Entscheidung vom 21.06.1977).
Erst mit dem am 01.01.1977 in Kraft getretenen Strafvollzugsgesetz wurde auch die Mitwirkung der Allgemeinheit an den Zielen des Strafvollzugs gesetzlich verankert. Ein Prinzip, das es gibt seit Strafvollzug existiert, einst überwiegend in der Form der Einbeziehung wohltätiger Organisationen (etwa christlicher Gemeinden), heute in der Tätigkeit von Vollzugshelfer/inne/n, die einzelne Gefangene in Haft, im Übergang in die Freiheit und in dieser selbst unterstützen sollen, und mit den Beiräten. Der Berliner Vollzugsbeirat wurde im Bundesland Berlin (damals noch West-Berlin) allerdings bereits 1975 offiziell etabliert.
Aufgaben, Ziele und Bedingungen der Beiräte
Das am 01.10.2016 in Kraft getretene StVollzG Berlin enthält die für die Anstaltsbeiräte und den Berliner Vollzugsbeirat geltenden §§ 111 – 113 Regelungen.
Die gesetzlich formulierte Aufgabe der Anstaltsbeiräte (ABe) ist, „beratend bei der Gestaltung des Vollzugs und der Eingliederung der Gefangenen mitzuwirken“; „sie fördern das Verständnis für den Vollzug und seine gesellschaftliche Akzeptanz und vermitteln Kontakte zu öffentlichen und privaten Einrichtungen“; daneben „steht der Anstaltsbeirat der Anstaltsleitung, den Bediensteten und den Gefangenen als Ansprechpartner zur Verfügung“ (§ 111 StVollzG Berlin).
Im Berliner Vollzugsbeirat (BVB) sind die Vorsitzenden der Anstaltsbeiräte zusammengefasst; hinzu kommen Vertreter/innen von gesellschaftlichen Institutionen, deren Mitwirkung erwünscht ist, wie z.B. von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden, der Ärzte- und der Rechtsanwaltskammer, der Freien Wohlfahrtspflege u. ä.
Die ebenfalls von der Justizverwaltung berufenen Mitglieder haben zum einen die gleichen Informationsrechte wie die Anstaltsbeiräte. Zum anderen haben sie die Aufgabe, „bei der Planung und Fortentwicklung des gesamten Berliner Vollzugs beratend mitzuwirken“; die Vollzugsverwaltung und die Beiräte sollen sich gegenseitig informieren und vertrauensvoll zusammenarbeiten“ (§ 112 StVollzG Berlin).
Auch die Mitglieder des Berliner Vollzugsbeirats arbeiten ehrenamtlich.
Die Anstaltsbeiräte sind Ansprechpartner für Gefangene, Bedienstete, die Anstaltsleiter/innen und externe Mitarbeiter/innen im Strafvollzug.
Der Berliner Vollzugsbeirat befasst sich mit grundlegenden Vollzugsfragen und ist daher primär in Kommunikation mit der Senatsjustizverwaltung. In besonderen Fällen befasst er sich aber auch mit Angelegenheiten, die an die Anstaltsbeiräte herangetragen werden und übergeordnete Bedeutung haben. Andere Anfragen werden an die jeweils zuständigen Anstaltsbeiräte weitergeleitet.
Gleichzeitig ist er eine Plattform für den fachlichen Austausch der Anstaltsbeiräte miteinander.
Zur Ausübung ihrer Tätigkeit stehen den Beiräten Informationsrechte gegenüber der Justizverwaltung zur Verfügung; die Beiräte haben insbesondere auch das Recht, prinzipiell unbeschränkt Haftanstalten zu betreten und mit Gefangenen und den anderen im Gesetz genannten Personen zu sprechen.
In Berlin gibt es derzeit neun selbstständige Justizvollzugsanstalten (JVAen) und acht Anstaltsbeiräte.
Der AB der JVA Plötzensee ist mit zuständig für das organisatorisch eigenständige, aber räumlich im Bereich der JVA Plötzensee gelegene Justizvollzugskrankenhaus Berlin (JVKB).
Die Anstaltsbeiräte werden von der Senatsverwaltung nach Vorschlägen z.B. gemeinnütziger Organisationen berufen. Und selbstverständlich arbeiten sie ehrenamtlich unabhängig.
Die Einbeziehung „normaler Menschen“ und Repräsentanten der Gesellschaft in das gesetzesgemäße Ziel des Strafvollzugs, nämlich dass „der Vollzug den Gefangenen befähigen soll, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen“ (§ 2 StVollzG Berlin; gleichzeitig soll der Schutz der Allgemeinheit vor Straftaten bewirkt werden), beruht auf der Erkenntnis, dass nicht wiedereingegliedert werden kann, wer körperlich und geistig von der Gesellschaft ausgeschlossen ist.
Die Anstaltsbeiräte und der Berliner Vollzugsbeirat befassen sich, mit der ihnen jeweils zugeschriebenen Gewichtung, mit fast allen Problemkreisen des Vollzugs, von der Unterbringung (in teilweise über 100 Jahre alten Hafträumen) über Drogenprobleme und medizinische Versorgung bis hin zu den Möglichkeiten des Täter-Opfer-Ausgleichs und des Abarbeitens von Geldstrafen aus der Haft heraus bzw. in der Haft.
Insbesondere der BVB arbeitet regelmäßig mit anderen Freien Trägern zusammen (s. „Runder Tisch für Gefangene mit Migrationshintergrund“ – Kooperation mit dem Büro des Vereins „Freiabonnements für Gefangene“).
Schwerpunkte der Arbeit sind in den letzten Jahren insbesondere der Ausbau des offenen Vollzugs gewesen, der die preiswerteste und erfolgreichste Variante des Strafvollzugs darstellt; Maßnahmen zum Abbau der Überbelegung in den Haftanstalten; die Schaffung von Arbeitsplätzen für Gefangene; und Expertisen und Stellungnahmen zu den Gesetzesvorhaben des Landes Berlin im Bereich Untersuchungshaft, Strafvollzug und Sicherungsverwahrung.
Ein Dauerthema der letzten Jahre ist die Einführung und Gestaltung der muslimischen Seelsorge in den Anstalten.
Ein neueres Thema in dieser Dekade ist neben anderen der Zugang von Informationstechnologien für Gefangene.