Auch Gefangenen steht das Recht auf angemessene Entlohnung und Teilhabe an der Rentenversicherung zu. Die Realität sieht jedoch anders aus:
Gefangene, die in Gefängnisbetrieben arbeiten, erhalten seit Jahrzehnten nur einen Bruchteil des Lohns ihrer Kollegen außerhalb der Haft und sind weder kranken- noch rentenversichert. So beträgt der aktuelle „Tariflohn“ in Berlin gemäß JVollzVergV vom 1. Januar 2022 zwischen € 1,56 und € 2,52 pro Stunde. Und dies, obwohl der Gesetzgeber in den Siebzigerjahren zunächst uneingeschränkt das Verbleiben in der Sozialversicherung für Gefangene für unabdingbar hielt und im StVollzG von 1976 immer noch als bald einzulösende Aufgabe festschrieb. In seither mehr als 40 Jahren geschah genau das nicht. Zuletzt hat die Justizministerkonferenz von 2018 auf Initiative von Berlin auch nur beschlossen, „dass die Einbeziehung von Strafgefangenen und Sicherungsverwahrten in die gesetzliche Rentenversicherung sinnvoll ist“.
Zuständige Vollzugsbehörden der Bundesländer argumentieren damit, dass die Kosten zu hoch seien, wenn regelhafte bzw. wirkliche Tarif-Löhne und dazu noch Sozialversicherungsbeiträge gezahlt würden. Das ist eine kurzsichtige Kalkulation, denn die später durch den zu niedrigen Lohn und die fehlende Rentenversicherung anfallenden Kosten sind für die Gesellschaft viel höher: Gefangene kommen häufig deutlich verschuldet aus der Anstalt und werden zum Sozialfall durch aufgelaufene Kosten wie Unterhaltszahlungen, Schuldenrückzahlungen etc., und später durch die zu geringe Rente. Bei Haftentlassung ein Sozialfall zu sein, ist aus Resozialisierungsgesichtspunkten heute genauso schädlich wie 1976 -siehe oben. Und dass für diese unnötigen Sozialkosten nach Haftentlassung letztlich der Bund und nicht die Bundesländer aufkommen müssen, macht die Misere nicht ertragbarer – sondern sorgt nur mit dafür, dass sich seit den Siebzigerjahren nichts in die richtige Richtung bewegt.
Um sich einen Überblick über die konkrete aktuelle Situation zu verschaffen, hat der Berliner Vollzugsbeirat zu seiner Novembersitzung Frau Britta Rabe vom Grundrechtekomitee, von dem bereits 2014 eine Petition eingereicht wurde, und den amtierenden Chefredakteur der Gefangenenzeitschrift „lichtblick“, Herrn B., eingeladen und angehört. Frau Rabe berichtete über die langjährige Arbeit des Grundrechtekomitees im Zusammenhang mit Gefangenenlöhnen, so wird zum Beispiel in Kürze erneut eine Petition eingereicht. Herr B. schilderte anschaulich die konkreten Auswirkungen der geringen Löhne und fehlenden Rentenversicherung auf Gefangene und brachte Beispiele für die fast überall vorherrschende Zufriedenheit der Betriebe, die Gefangene beschäftigen, und für gelungene Resozialisierungen.
Das Bundesverfassungsgericht hat ab 27.04.22 drei Tage lang die Entlohnung von Gefangenen verhandelt. Das Ergebnis wird voraussichtlich im September 2022 veröffentlicht. Danach wird der Berliner Vollzugsbeirat prüfen, welche weiteren Schritte, abhängig vom Inhalt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, unternommen werden sollten. Unterdessen machen wir das Thema weiterhin der Öffentlichkeit durch Medienkontakte näher bekannt.