2022
Fachbücher für die Berliner Gefängnisbibliotheken
Kürzlich wurden wir von der Fachabteilung einer Berliner JVA angesprochen, ob der Berliner Vollzugsbeirat nicht juristische Bücher für ihre Anstaltsbibliothek besorgen könne. Häufig sind diese bei Anwaltskanzleien, Juristen etc. vorhanden, werden aber nicht benutzt, da sie zwar aktuell sind, aber man lieber die entsprechenden ebook-Varianten zurate zieht.
Inzwischen haben wir auf unseren Aufruf hin dankenswerterweise zahlreiche Fachbücher erhalten und konnten diese an mehrere Berliner JVAen verteilen. Zum Beispiel erhielten wir Bücher für die JVA Heidering (siehe Foto mit Herrn Topfstedt, Beiratsmitglied der JVA Hdr. bei der Abholung von Büchern im Büro des Berliner Vollzugsbeirats in unserer Fotogalerie). Selbstverständlich beschaffen die Berliner Justizvollzugsanstalten auch regelmäßig selbst Fachbücher für ihre Bibliotheken zur Benutzung durch Gefangene und Bedienstete, da diese Bücher aber meistens recht teuer sind, wird zusätzliche Fachliteratur immer gern angenommen.
Sollte ein geneigter Leser dieser Webseite über aktuelle juristische Bücher verfügen und diese nicht benötigen, wären wir für eine kurze Email dankbar.
Ersatzfreiheitsstrafe für Schwarzfahrer
Ein Thema, mit dem sich der Berliner Vollzugsbeirat seit vielen Jahren befasst, ist die Forderung nach Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe für Personen, die eine Geldstrafe nicht oder nur sehr schwer zahlen können. Zu einem großen Teil handelt es sich um „Schwarzfahrer“, und die Kosten, die dem Steuerzahler durch die Gefängnisunterbringung entstehen, stehen in keinem Verhältnis zur Fahrt ohne Fahrschein. Der BVB hat bereits vor Jahren eine Petition hierzu beim Deutschen Bundestag initiiert, die jedoch abgelehnt wurde.
Wegen der seit März herrschenden Pandemie wurden zahlreiche Ersatzfreiheitsstrafer vorzeitig entlassen oder vorläufig nicht inhaftiert, um ein Einschleppen des Virus in die Gefängnisse zu verhindern. Es ist nicht bekannt, dass es hierdurch zu einer höhere Kriminalitätsrate oder zu massenhaftem Schwarzfahren gekommen ist. Der Berliner Vollzugsbeirat fordert, diese Praxis beizubehalten und für die Zukunft beim Schwarzfahren die Ersatzfreiheitsstrafe als Folge uneinbringlicher Geldstrafe abzuschaffen.
Ein Gesetzesantrag vom 10.09.2019 des Freistaates Thüringen, „Fahren ohne Fahrschein“ als Ordnungswidrigkeit zu werten, der vom Berliner Senat unterstützt wird, liegt seither auf Eis. Der Berliner Vollzugsbeirat setzt sich deshalb weiterhin ausdrücklich für die Wiederaufnahme dieser Angelegenheit ein, unter anderem bei Treffen mit dem zuständigen Senat.
In der aktuellen Legislaturperiode hat Justizsenatorin Frau Dr. Lena Kreck diese Position übernommen. Ein Gespräch des Berliner Vollzugsbeirats mit ihr zu diesem und weiteren Themen des Justizvollzugs hat bereits stattgefunden. Sie will sich dafür einsetzen, Gefängnisstrafen als Ersatz für nicht gezahlte Geldstrafen zu vermeiden. Der BVB wird das Thema aufmerksam weiterverfolgen.
Gefangenenlöhne – Initiative des Berliner Vollzugsbeirats
Auch Gefangenen steht das Recht auf angemessene Entlohnung und Teilhabe an der Rentenversicherung zu. Die Realität sieht jedoch anders aus:
Gefangene, die in Gefängnisbetrieben arbeiten, erhalten seit Jahrzehnten nur einen Bruchteil des Lohns ihrer Kollegen außerhalb der Haft und sind weder kranken- noch rentenversichert. So beträgt der aktuelle „Tariflohn“ in Berlin gemäß JVollzVergV vom 1. Januar 2022 zwischen € 1,56 und € 2,52 pro Stunde. Und dies, obwohl der Gesetzgeber in den Siebzigerjahren zunächst uneingeschränkt das Verbleiben in der Sozialversicherung für Gefangene für unabdingbar hielt und im StVollzG von 1976 immer noch als bald einzulösende Aufgabe festschrieb. In seither mehr als 40 Jahren geschah genau das nicht. Zuletzt hat die Justizministerkonferenz von 2018 auf Initiative von Berlin auch nur beschlossen, „dass die Einbeziehung von Strafgefangenen und Sicherungsverwahrten in die gesetzliche Rentenversicherung sinnvoll ist“.
Zuständige Vollzugsbehörden der Bundesländer argumentieren damit, dass die Kosten zu hoch seien, wenn regelhafte bzw. wirkliche Tarif-Löhne und dazu noch Sozialversicherungsbeiträge gezahlt würden. Das ist eine kurzsichtige Kalkulation, denn die später durch den zu niedrigen Lohn und die fehlende Rentenversicherung anfallenden Kosten sind für die Gesellschaft viel höher: Gefangene kommen häufig deutlich verschuldet aus der Anstalt und werden zum Sozialfall durch aufgelaufene Kosten wie Unterhaltszahlungen, Schuldenrückzahlungen etc., und später durch die zu geringe Rente. Bei Haftentlassung ein Sozialfall zu sein, ist aus Resozialisierungsgesichtspunkten heute genauso schädlich wie 1976 -siehe oben. Und dass für diese unnötigen Sozialkosten nach Haftentlassung letztlich der Bund und nicht die Bundesländer aufkommen müssen, macht die Misere nicht ertragbarer – sondern sorgt nur mit dafür, dass sich seit den Siebzigerjahren nichts in die richtige Richtung bewegt.
Um sich einen Überblick über die konkrete aktuelle Situation zu verschaffen, hat der Berliner Vollzugsbeirat zu seiner Novembersitzung Frau Britta Rabe vom Grundrechtekomitee, von dem bereits 2014 eine Petition eingereicht wurde, und den amtierenden Chefredakteur der Gefangenenzeitschrift „lichtblick“, Herrn B., eingeladen und angehört. Frau Rabe berichtete über die langjährige Arbeit des Grundrechtekomitees im Zusammenhang mit Gefangenenlöhnen, so wird zum Beispiel in Kürze erneut eine Petition eingereicht. Herr B. schilderte anschaulich die konkreten Auswirkungen der geringen Löhne und fehlenden Rentenversicherung auf Gefangene und brachte Beispiele für die fast überall vorherrschende Zufriedenheit der Betriebe, die Gefangene beschäftigen, und für gelungene Resozialisierungen.
Das Bundesverfassungsgericht hat ab 27.04.22 drei Tage lang die Entlohnung von Gefangenen verhandelt. Das Ergebnis wird voraussichtlich im September 2022 veröffentlicht. Danach wird der Berliner Vollzugsbeirat prüfen, welche weiteren Schritte, abhängig vom Inhalt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, unternommen werden sollten. Unterdessen machen wir das Thema weiterhin der Öffentlichkeit durch Medienkontakte näher bekannt.
Erfahrungsaustausch mit ehemaligen Inhaftierten zum Thema Wiedereingliederung
Die Wiedereingliederung, insbesondere langjähriger, Gefangener ist die vorrangige gesetzliche Aufgabe des Strafvollzugs. Damit Resozialisierungs- bzw. Behandlungsmaßnahmen in der Zeit der Inhaftierung nicht unmittelbar nach der Entlassung scheitern, gibt es das sogenannte Übergangsmanagement (ÜGM). Das bedeutet im Wesentlichen, dass der soziale, berufliche und finanzielle „Empfangsraum“ zum Entlassungszeitraum rechtzeitig vorbereitet werden muss.
Das ÜGM ist deshalb auch dem Berliner Vollzugsbeirat (BVG) besonders wichtig, weshalb wir uns dieser Aufgabe immer wieder widmen – aktuell im ersten Halbjahr 2022 -, um bei Bedarf Verbesserungen anzustoßen.
Nach Sitzungen zum Thema ÜGM zur Sicht der Justizverwaltung und der von Praktiker:innen im Vollzug waren Vertreter:innen des BVB kürzlich im Café Rückenwind, um auch einen Blick auf die Sicht seitens betroffener (ehemaliger) Gefangener zu werfen. Das Café ist ein Treffpunkt für Freigänger, Ausgänger und Haftentlassene, die dort Unterstützung und ein offenes Ohr finden. Initiator und Organisator dieses Cafés ist Pfarrer i. R. Stefan Friedrichowicz, der uns dort einen Kontakt zu mehreren (Ex-)Gefangenen ermöglichte.
Die Teilnehmer waren erfreulich offen und berichteten ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen sowohl von positiven (gute Betreuung) als auch negativen (z. B. Fehlen oder später Beginn des ÜGMs) Erfahrungen. Wir werden die gewonnenen Eindrücke und Erkenntnisse nun diskutieren und zum Anlass entsprechender Initiativen werden lassen.
2021
Der BVB und das Berliner Justizvollzugsdatenschutzgesetz
Zu den vielfältigen Aufgaben des Berliner Vollzugsbeirats gehören unter anderem die Beratung und Stellungnahme zu Gesetzesentwürfen und Novellierungen im Bereich des Justizvollzuges. Aktuell ist dies der Fall bei der Novellierung des Berliner Justizvollzugsdatenschutzgesetzes, oder wie es vollständig heißt: „Gesetz zum Schutz personenbezogener Daten im Justizvollzug und bei den Sozialen Diensten der Justiz des Landes Berlin“. Das Gesetz ist ursprünglich von 2011 und inzwischen in einigen Punkten verbesserungs- bzw. präzisierungsbedürftig.
Der BVB hat jetzt den vorliegenden Referentenentwurf der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung unter dem Aspekt des Datenschutzes für Inhaftierte, Bedienstete und Freie Träger geprüft und kommentiert. Mehr Rechtssicherheit ist unter anderem für unsere ehrenamtlichen Beiratsmitglieder bei ihrer Arbeit in den Justizvollzugsanstalten von großer Bedeutung.
Jugendarrestanstalt Berlin-Brandenburg umgezogen
Die Jugendarrestanstalt (JAA) Berlin-Brandenburg, eine Gemeinschaftseinrichtung der beiden Bundesländer zur Vollstreckung von Dauer-, Freizeit und Kurzzeitarrest von Jugendlichen, ist am 21. und 22. Dezember 2020 nach Berlin-Lichtenrade in die Lützowstraße umgezogen. Sie zog zurück in ein Gebäude der früheren Jugendhilfe, das „Haus Kieferngrund“, in dem die JAA bis 2012 bereits einmal untergebracht war, und das seit 2018 aufwändig renoviert bzw. instandgesetzt worden war.
Seit dem 5. Februar 2021 wird der Jugendarrest nun wieder dort in Lichtenrade vollstreckt.
Die frisch sanierte Anstalt entspricht mit ihren 31 Arrestplätzen (25 für männliche, 6 für weibliche Arrestanten) den Anforderungen an einen modernen Jugendarrest: Neben den Arresträumen, die u.a. jeweils mit Toilette und Waschbecken ausgestattet sind, verfügt jede Station über einen Küchenbereich, Gruppenraum, TV-Raum und Duschräume. Außerdem tragen eine Werkstatt, Bibliothek und Sportanlagen zur Aufgabenerfüllung gemäß bisher § 90 Jugendgerichtsgesetz (JGG) bei, „das Ehrgefühl des Jugendlichen wecken und ihm eindringlich zum Bewusstsein (zu) bringen, dass er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat. Der Vollzug des Jugendarrestes soll erzieherisch gestaltet werden. Er soll dem Jugendlichen helfen, die Schwierigkeiten zu bewältigen, die zur Begehung der Straftat beigetragen haben.“
Für Berlin existiert noch kein Jugendarrestvollzugsgesetz. Deshalb wurde der Entwurf eines Landesgesetzes für den Vollzug des Jugendarrestes (JAVollzG Bln) im Mai 2021 von der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Berlin dem Abgeordnetenhaus vorgelegt.
Unter anderem ist auch ein Förderverein Ansprechpartner für die Anstalt und den Beirat.
Die Wissenschaft beim BVB – Crimscape, ein Projekt zur Frage zunehmender Kriminalisierung und Versicherheitlichung in den Gesellschaften
Aus den Tätigkeiten des seit etwa 1977 bestehenden Berliner Vollzugsbeirats resultiert unter anderem eine Sammlung von Dokumenten zur Entwicklung des Strafvollzugs seit Inkrafttreten des Bundesstrafvollzugsgesetzes (StVollzG) im Jahr 1977.So besitzen wir einige Unterlagen – u.a. Berichte, Fotos, Zeitungsartikel und Beschlussdokumente – zu auch grundlegenderen Organisationsfragen des Strafvollzugs in Berlin.
Dies wird auch gern von anderen Organisationen genutzt. Kürzlich hatten wir erneuten Besuch von einer Mitarbeiterin des Ethnologischen Instituts der Humboldt-Universität, die an dem Projekt CrimScapes mitarbeitetHierbei handelt es sich um eine Untersuchung der Fragen zunehmender politischer, rechtlicher und gesellschaftlicher Transformation hin zu Kriminalisierung, Versicherheitlichung und Strafe.Dafür gewährten wir Einsicht in unsere Unterlagen zu den Organisationsprozessen 1990/91 (soweit sie nicht wegen des Vertrauensschutzes auch der Wissenschaft nicht eröffnet werden dürfen).